Tuesday, May 29, 2007

Klausurenzeit

Ich glaube, es ist mal wieder an der Zeit, mein vernachlaessigtes Blog zu pflegen. In der letzten Zeit habe ich nicht viel geschrieben, weil nicht viel passiert ist und weil ich im Klausurenstress war - wie momentan die meisten Leute hier in Bristol. Wajdi ist fuer seine 12 (!) Klausuren dazu uebergegangen, frueh aufzustehen, als ich aus der Bib kam habe ich heute eine Gruppe von zerknirscht aussehenden Erasmusstudenten getroffen, die sagte das Criminal Law schwer war und Heidi stand heute Mittag beinahe heulend in der Kueche, weil ihre Pruefung ziemlich daneben ging und sie sauer auf sich selbst war.
Ich bin nicht sauer auf mich selbst. Aber ich kann nicht sagen, dass meine beiden Pruefungen, Vertrags- und Deliktsrecht, gut gelaufen waeren. Im Nachhinein ist mir etwas peinlich, was in Vertragsrecht produziert habe, und in Deliktsrecht hab ich einen Aufsatz ueber etwas geschrieben, dass ich beim Lernen uebersprungen hatte - und darueber wusste ich noch das meiste! Doch selbst die Englaender bezeichneten die Aufsaetze als "evil".
Vielleicht sollte ich mal erklaeren, wie die Pruefungen ablaufen. Das ist naemlich sehr formell. Meine Klausuren finden in der grossen Halle im Wills Memorial Building statt. Damit habe ich ziemliches Glueck, denn da alle Klausuren zwischen dem 12 Mai und dem 12 Juni stattfinden, herrscht ziemlicher Raummangel und Leute schreiben im Student's Union Building, aber auch ueber dem Commonwealth Museum und im Fussballstadion. Dafuer werden sogar Shuttlebusse eingerichtet.
Am Tag der Pruefung muss man dann auf einer Liste, die vor dem Raum aushaengt, suchen an welchem Tisch man sitzt. Ich hatte bis jetzt die Nummer 1. Rucksack, Jacke und so weiter muss man am Eingang lassen, an seinem Platz darf man nur haben, was man zum loesen der Klausur braucht. Auf dem Tisch liegt dann ein Heft, in das man seine Antworten schreibt, und das Blatt mit den Aufgaben. Auf dem Deckblatt muss man so Sachen wie Kandidatennummer, Fach, und so weiter angeben. Name und Unterschrift kommen in eine Ecke und werden nach der Klausur versiegelt. Bevor der Klausur bekommt man nochmal die Spielregeln erklaert, und dann gehts los: drei Stunden schreiben. Die Briten muessen 4 Aufgaben loesen, wir drei - jedenfalls in diesen beiden Faechern. Es gibt zwei Aufgabenbereiche, Problem Questions (=Fallloesung) und Essays (=Aufsatz). Jeder Aufgabenbereich muss abgedeckt werden. In den ersten 30 und den letzten 15 Minuten darf keiner den Raum verlassen. Am Ende sammeln die Aufsichtspersonen (einer davon ist der boese Mensch, der die Klausur gestellt hat) die Arbeiten ein und wenn sie alle haben, darf man gehen.
Ansonsten bestehen meine Tage hauptsaechlich aus lernen, und daraus, den Umzug aus England zu organisieren. Natuerlich passiert auch noch was anderes, wie weggehen (Freitag abend hatte ich einen sehr netten abend in der Lizard Lounge, einem Club, und habe danach noch eine englische Tradition probiert: ich habe Chips and Cheese um 3 Uhr morgens gegessen). Und noch ein paar Neuigkeiten:
Das Kuecken aus Cambridge hat uebrigens nicht ueberlebt. Es wollte nicht fressen.
Ich komme am 28.06. zurueck nach Deutschland. Die meisten anderen fliegen auch in diesem Zeitraum.
Ja, mein Erasmus-Jahr ist fast vorbei. Das ist zwar schade, aber ich freue mich auch auf zu hause.

Tuesday, May 15, 2007

Cambridge

Von dieser Woche gibt es mal wieder nicht ganz so viel zu erzaehlen. Ich habe versucht zu lernen, aber die richtige Motivation und somit Konzentration wollte nicht aufkommen. Am Samstag hatte ich allerdings mal einen guten Grund, um mich zu druecken: Ich fuhr mit dem BISC (das heisst mit einer Busladung voll internationaler Studenten und Praktikanten) nach Cambridge (Foto von einer Strasse dort). In der alten Universitaetstadt studierten so Leute wie Isaac Newton, Prince Charles und - na ja - Ali G (ja, Borat hat in Cambridge Geschichte studiert, und zwar am selben College wie Isaac Newton). Insgesamt bringt es die Uni auf 80 Nobelpreise. Cambridge liegt im Osten von England (der im Vergleicht zum Westen, wo ich bin, sehr flach ist) und dementsprechend braucht man lange, um dorthin zu kommen. Wir fuhren um sieben los und waren um kurz nach elf da. Zunaechst machten wir etwas ganz besonderes: Punting. Das ist so was aehnliches wie Gondel fahren, also im Boot sitzen und es mit einem Stock vorwaerts schieben, und wird in Cambridge seit dem Mittelalter gemacht. Wir durften selber an den 5 Meter langen Pole. Das heisst, wir fuhren unter einigen der zahlreichen bekannten Bruecken durch, standen regelmaessig quer auf dem Fluss und kamen uns gegenseitig in den Weg, waehrend die Profi-Punter anmutig an uns vorbei fuhren (Foto: Boote vor Mathematical Bridge). Am Ufer sah man die Colleges, zu denen die Bruecken gehoerten. Wir retteten auch ein Moorhuhn-Kueken vorm ertrinken (Foto) und wurden selber ordentlich nass, denn es begann zu schuetten.
Danach hatten wir ein bisschen Zeit, um uns die Stadt anzuschauen und Mittag zu essen. So bewegten wir uns im Schneckentempo durch die Innenstadt, weil diverse Leute dauernd irgendwelche Fotos machen mussten. Das Kueken sass in Luisas Pulli und wurde langsam wieder lebendig. Jedenfalls schafften wir es dann doch irgendwie uns was zu essen zu besorgen und uns an der Touriinfo zur Stadtfuehrung einzufinden. Wir wurden am aeltesten Gebaeude Cambridges vorbeigeschleust (ein saexischer Kirchturm, der in eine neuere Kirche eingebaut ist), an dem Pub in dem Crigg und Watson die DNA vorstellten, an diversen Colleges (Foto: Eingang von King's College), Kirchen und alten Haeusern und bekamen ein paar Anekdoten erzaehlt. Zum Beispiel lernte ich einen neuen Ausdruck, Hobston's choice, was so viel heisst wie keine Wahl haben. Die meisten Collegen haben zu wegen den Vorbereitungen auf die Pruefungen. An einem Gebaeude, in dem die Abschlussfeiern gehalten werden, hingen schon die Tafeln fuer die Ergebnisse. Wenn man seinen Namen nicht auf dieser Tafel findet ist man leider durchgefallen. Vor der Halle standen schon Collegeweise Leute in dunklen Maenteln an, die gerade graduiert hatten und nun eine lange Feier in Latein ueber sich ergehen lassen mussten. Eines der bekanntesten Colleges ist Trinity College (Foto vom Innenhof), und das durften wir besichtigen. Vor der Tuer dieses Colleges steht ein Apfelbaum zum Gedenken an Isaac Newton. Das College wurde von Henry VIII gegruedet, und eine Statur von ihm steht ueber dem Tor. In der Hand haelt er ein Stuhlbein, weil ihm ein Abgaenger als Streich das Zepter geklaut hat (Foto). Das College ist eines der reichsten in England und besitzt Land fast ueberall. Der Betrieb ist organisiert wie in Oxford, das koennt ihr im entsprechenden Eintrag nachlesen. Interessant ist aber, das in Cambridge der Term sehr kurz ist (8 Wochen und 2 Tage), dafuer aber auch am Samstag voll unterrichtet wird. Wir schauten in die Kapelle, in den Speisesaal (Foto), in den zweiten Hof. Uberigens darf man nur als "Fellow", also mit Bachelor, auf dem Rasen dort herumlaufen und erst ab dem 3. Studienjahr dort wohnen. Wenn man denn aber mal seinen Bachelor (of Arts, selbst wenn man Medizin studiert) erworben hat, muss man nur drei Jahre lang warten und kriegt automatisch seinen Master. Das ist in allen Colleges so, nicht nur in Trinity.
Nach der Fuehrung hatten wir noch etwas Zeit, um uns selber die Stadt anzuschauen. Wir fuetterten den Vogel, der waehrend der Fuehrung aus Luisas Pulli piepste, besuchten die sehr huebsche Round Church (Foto) und liefen noch etwas durch die Strassen, an den Colleges vorbei. Ich war zwischenzeitlich mal ein bisschen neidisch auf Julia, die hier studiert, denn es ist wirklich schoen in Cambridge. Gegen halb sechs fuhren wir dann zurueck nach Bristol, wo wir um halb zehn ankamen.
Jetzt beginnt allerdings wieder der ernst: lernen und die Abreise organisieren, denn lange bin ich ja nicht mehr hier!

Monday, May 07, 2007

Nordengland

Okay, in der letzten Woche hab ich euch geschont, der Blogeintrag war wirklich kurz. Dafuer gibt es jetzt ordentlich was zu erzaehlen.
Am Donnerstag morgen machte ich mich mit Clothilde, einer Franzoesin, auf den Weg nach Nordengland. Hierzu setzten wir uns bei grauem Himmel in Bristol in einen Zug in Richtung Manchester. Und hier begann dann auch unsere Gluecksstraehne: der Zug hatte so viel Verspaetung, dass er gerade so ankam, dass wir bequem einsteigen konnten, und wurde "umgewidmet", so dass wir uns das Umsteigen in Birmingham ersparten. Gegen Mittag kamen wir in Manchester an und stellten unser leichtes Gepaeck in unserer Dorm unter. Es war eine 18 bed mixed dorm, und erinnerte mich mit ihren dicht gedraengten Stahl-Doppelstock-Betten an ein Gefaengnis. Aber was solls- wir waren ja nur zum schlafen da. Am Nachmittag dieses Tages fuhren wir nochmal Zug, diesmal nach Liverpool, dem Mekka aller Beatles Fans. Ein Blick aus dem Fenster sagte mir mal wieder, dass das "Back Country", das von Industrie gepraegt wurde, heute wirklich schoen ist: gruene Huegel, Wiesen, Kuehe, Pferde und Schafe.
Clothildes Reisefuehrer sagte (selbstverstaendlich) auf franzoesisch, dass man Liverpool wohl nur wegen der Beatles in die Landkarte aufgenommen haette. Damit tat er der Stadt unrecht. Es mag am Sonnenschein gelegen haben, aber mir gefiel die Stadt mit ihren viktorianischen Riesenbauten und kleinen Backsteinhaeusern eigentlich ganz gut. Zunaechst besuchten wir die Touri-Info, die man wohl mit Ruecksicht auf die Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2008 in 08-Place umbenannt hat. Dann liefen wir durch die Strassen und besichtigten die zwei Kathedralen der Stadt. Die eine war alt und leer. Allerdings hatte sie in einem Seitenschiff ein Cafe untergebracht, was ich so noch nicht gesehen habe. Es ist zwar nicht unueblich in England, Kirchen mit Cafes zu versehen, aber meist werden sie in den Katakomben der Sakristei oder im Kreuzgang versteckt. Die zweite Kirche war sehr modern. Sie sah aus wie ein Raumschiff, von aussen wie von innen. Die Tuecher auf dem Altar sahen aus wie mit Graffitti versehen, und dann begann auch noch jemand die Orgel mit psychedelisch klingender Musik zu spielen.
Bevor es abhob, fluechteten wir und sahen einen Bus in Richtung Penny Lane fahren.
Danach liefen wir zu den Docks. Aus den Albert-Docks ist ein grosser Museums- und Kulturkomplex geworden. Wir blieben allerdings draussen. Auch die "Beatles-Story" mit ihren Relikten wie der Sonnenbrille von John Lennon sahen wir uns aus Zeit- und Kostengruenden nur von aussen an. Wir liefen etwas am Fluss und an den Docks entlang - die sind riesig! Ich hatte das Gefuehl, wirklich am Meer zu stehen. Auf der anderen Seite erkannte man umrisshaft noch andere Haeuser. Danach liefen wir in Richtung Matthew Street, um den Beatles weiter zu huldigen (Foto). Dort befand sich der Club, in dem die Beatles und der ganze Mersey-Beat ihren Ursprung hatten. In den 70ern musste er einer nie gebauten U-Bahn weichen, ist aber im Haus nebenan nachgebaut. An allen Ecken sieht man in dieser ziemlich engen Gasse Bezuege auf die Beatles.
Nachdem wir unsere Fotos geschossen hatten, besorgten wir uns etwas zu essen und fuhren dann zurueck nach Manchester, denn wir wollten an einem Pub-Crawl teilnehmen. Eine Einheimische fuehrte uns (anfangs wir beide und zwei Franko- Kanadier, wo nehme ich eigentlich immer die Franzoesich-Sprecher her?) durch das Nordviertel von Manchester. Alle noerdlichen Staedte werden in allen Reisefuehrern wegen ihres Nachtlebens angepriesen, und das wollten wir uns nicht entgehen lassen. Im ersten Pub, der eher alt und traditionell war, kamen noch einige andere Leute dazu. Wir zogen weiter in eine mexikanisch angehauchte Bar, dann kam ein eher orientalisch anmutender Pub, ein Pub mit Livemusik (cool, Indie!) und schliesslich ein ein wenig nach 60er Jahren aussehender Club. Es war lustig, wenn auch nicht voll. Gegen zwei lagen wir im Bett.

Am naechsten Morgen hatte ich leichte Kopfschmerzen. Die verflogen jedoch schnell, und nachdem wir in der "Kueche" gefruehstueckt hatten fuhren wir mit dem Zug in den Lake Distrikt zum Lake Windermere, dem groessten See Englands. In Bowness on Windermere bestiegen wir ein Schiff. Das fuhr uns weiter nach Norden in Richtung Berge. Vom Boot aus sah man Villen am See und weiter hinten Gebirge, die irgendwie aussahen wie der Brokeback-Mountain. Wir fuhren jedoch nicht weiter in die Berge (was vermutlich ein Fehler war) sondern setzten nochmal zu einem Schloss-Hotel ueber und liefen dann am Seeufer entlang durch den Wald hindurch und an Bilderbuch-Wiesen mit Schafen vorbei zum naechsten Faehranleger, wo uns ein Schiff zurueck nach Bowness brachte. Der Spaziergang war schoen, aber fuer mich dann doch nichts so besonderes: von Waeldern umgebene Seen kenne ich aus Deutschland. Deswegen war ich ein wenig enttaeuscht.
Gegen acht waren wir wieder in Manchester, assen unser Mikrowellen-Abendbrot und machten dort mit jemandem, den wir am Abend zuvor kennen gelernt hatten, weiter die Strassen unsicher. Wir hatten unseren Spass und tanzten viel, der Mensch mit dem wir unterwegs waren bewegte sich nicht so sehr viel.
Am Tag darauf schauten wir uns (endlich) Manchester an. Auch Manchester hat im Krieg einige Bomben abbekommen. Deswegen stehen zwischen den riesigen alten Haeusern einige Neubauten. Ich fand die moderne Architektur dort allerdings relativ inspiriert, besonders im Hafenviertel, wo wir hinfuhren, um das Imperial War Museum zu besuchen. Dieses Museum interessierte mich vor allem, weil es von Daniel Liebeskind entworfen wurde. Es war auch ein beeindruckendes Gebaeude (Foto), und eine interssante Ausstellung ueber den Einschlag des Krieges in das Leben einzelner Menschen. Als wir es angeschaut hatten, wollten wir allerdings lieber etwas heiteres machen und besuchten das nahegelegene Shopping-Outlet. Wir hielten uns dort jedoch nicht lange auf, denn wir wollten ja auch noch was vom Stadtzentrum sehen. Nachdem uns die Strassenbahn dorthin zurueckgebracht hatte, schauten wir kurz in die Gemaeldegallerie hinein, die einige schoene Bilder hatte. Dann liefen wir durchs Stadtzentrum (Foto: Stadthalle) zur Kathedrale (in deren Naehe ein wirklich altes Fachwerkhaus steht) und weiter zum Urbis, was ein interaktives Museum mit dem Konzept ist, die Stadt als Spielplatz zu benutzten. Schliesslich schlenderten wir zurueck zum Hostel, schnappten unser Gepaeck und liefen zum Bahnhof, von dem uns um 18.17 ein Zug aus Manchester zurueck nach hause transportierte.
Es waren ein paar wirklich schoene Tage dort. Ich stelle demnaechst, wenn ich sie habe, noch ein paar Extra-Fotos ins Netz. Jetzt heisst es allerdings mal wieder: Lernen. Urgh!