Sunday, March 11, 2007

Sozialstudien, Salisbury und Stonehenge

Ich sitze gerade mit meinem Notebook im Watersheds, einem Café mit integriertem Kino bei mir um die Ecke, schaue auf Teile des Floating Harbours und frage mich, warum Sonntag nachmittags eigentlich keiner online ist...
Diese Woche war ich mit Sozialstudien beschäftigt. Objekt Nummer 1: der Erasmix-Gala-Ball. Aus mehr oder weniger wissenschaftlichem Interesse habe ich mir eine Karte gekauft. Hier in England sind Bälle relativ üblich. Ich habe den Eindruck, dass jede Student Hall (= Studentenwohnheim), jede Fakultät und einige Societies ihren eigenen Ball organisieren. Dieser schien mir derjenige zu sein, für den man die am wenigsten formelle Kleidung braucht.
Irrtum! Wir waren ein paar Erasmusstudenten, jede Menge Engländer und selbst die Erasmusstudenten hatten sich ziemlich aufgestylt - ich fühlte mich ein wenig underdressed.
Aber von vorne. Wir trafen uns im Byzantium, einem etwas orientalisch angehauchten Restaurant in Bristol. Wegen des unberechenbaren englischen Wetters teilten wir uns ein Taxi dorthin, obwohl der Weg nicht weit war. Im Taxi stellte sich dann heraus, das niemand, weder der Fahrer noch wir, den Weg dahin kannte. Durch einen Anruf fanden wir immerhin die Adresse heraus, und der Taxifahrer fragte seinen Kollegen über Funk wo diese Strasse denn sei. Antwort: da wo das Byzantium ist.
Im Restaurant gab es dann erstmal essen. Heidi und ich landeten an einem Tisch voller Englischer Sprachstudenten, die meist Deutsch und Französisch studierten. War ja ganz nett, aber sie stellten sich als Paris-Hilton-Fans heraus. Das Essen war okay: auf einer Art "doppelstöckigem Tablett" wurden Vorspeisen serviert, die man sich mit der Hand wegnahm, dann gab es den Hauptgang (Hünchen mit halb-rohem Kartoffelgratin) und beim Nachtisch passierte das selbe wie bei der Vorspeise.
Anschliessend konnten wir eine Bauchtänzerin (mit ziemlich viel Bauch) bewundern, und danach spielte eine Band Jazz. Zu diesem Zeitpunkt saßen die meisten auf bereitgestellten Sofas rum und rauchten Shisha. Danach kamen DJs dran und spielten einen ziemlich uninspirierten Mix aus HipHop und House. Mit anderen Worten: es war nicht besonders toll. Relativ früh fingen die ersten an zu gehen.
Am Samstag war ein vom International Office organisierter Trip nach Stonehenge und Salisbury. Um 9.30 fuhren wir durch den landschaftlich schönen Süden von England zur Sainsbury Cathedral (Foto), durch die wir von einem Ingenieur geführt wurden. Er erklärte die Kathedrale aus der Sichtweise eines Architekten. So lernten wir etwas über den besonderen Aufbau des Turms der Kathedrale (innen ist ein Holzgerüst), der später aufgesetzt worden war und von dessen Spitze man eine schöne Aussicht haben muss - nur leider muss man die letzten Meter an Sprossen hochklettern. Er erklärte uns, das der Choral eine Fussbodenheizung hat und das Sainsbury, dass an der Mündung von fünf Flüssen liegt, einen hohen Grundwasserspiegel hat. Deswegen wird regelmässig gemessen, wo das Wasser steht.
Die Kathedrale wirkte auf mich nicht wirklich kirchlich-feierlich. Sie erinnerte mich irgendwie mehr an eine öffentlich genutzte Halle. Das mag an den Massen von Touristen oder den modernen Stühlen liegen. Die Kirche hat teilweise schöne alte gotische Gewölbe, aber teilweise sind die Bögen auch hässlich viktorianisch bemalt. An mehreren Stellen findet man Stützbögen mitten in der Kirche. Natürlich gibt es auch die obligatorischen Gräber, aber die wurden ziemlich viel herumbewegt. Teils wurden kleine Kapellen eingerissen, teils mussten Wände weichen, teils störten sie die Fussbodenheizung. Die Kathedrale hatte einen wirklich schönen Kreuzgang. In einer Nebenkapelle kann man eine der letzten authentischen Kopien der Magna Charter bewundern.
Danach wanderten wir bei strahlendem Sonnenschein durch Salisbury, einer der schönsten Städte, die ich bisher gesehen habe. Englische Fachwerkhäuser wechseln sich ab mit "normalen" Häusern, aber es fehlt die billige Reihenhausoptik, die sonst so viele Städte hier haben. Leider hatten wir, nachdem wir gegessen hatten, nicht mehr viel Zeit zum durch die Stadt laufen- denn wir mussten weiter nach Stonehenge.
Nach einer kurzen Busfahrt sahen wir den Steinkreis. wie erwartet waren viele erstmal enttäuscht, denn Stonehenge ist ziemlich klein - kleiner jedenfalls, als man es sich vorstellt. Doch als wir auf dem Gelände standen und anfingen, mit den Audioführungen um die beiden Steinkreise herumzulaufen, kam ich doch in eine besondere Stimmung. Ich verstehe, warum einige Leute Stonehenge als "magischen Ort" bezeichnen. Ihr wisst sicherlich, dass man mit Stonehenge den längsten und kürzesten Tag im Jahr bestimmen kann, das die Steine aus völlig unterschiedlichen Regionen kommen und das man nicht genau weiss, wie und wofür es gebaut wurde. Es war wirklich faszinierend, das Gebilde in der matten Frühlingssonne anzuschauen. Ich habe auch eine weitere Serie Fotos geschossen (nicht dass ich mit 12 Jahren, als ich das erste mal dort war, nicht schon mal eine gemacht hätte...), meine "Postkartenbilder" findet ihr hier. Ich war übrigens kein Einzelfall. Michael meinte nur: "Ich kann bald eine Rundumansicht von dem Ding erstellen!"
Der Abend dieses Tages war weniger magisch: ich war mit Heidi, ihrem neuen Freund und ein paar anderen Leuten auf einer englischen Hausparty. Nach einem kurzen Anflug von Neid, da die Leute, die die Party gaben, ein echt tolles, grosses Haus haben, kam schnell Langeweile auf. Die Party stand unter dem Motto "wilder Westen", und so waren die meisten als Cowboys und -girls verkleidet, an den Wänden hingen Steckbriefe der Gastgeber und es spielte Country Musik. Wir zogen uns mit Davids Freunden in den "Filmroom", wo ein schlechter Western lief, zurück. Nach kurzer Zeit beschlossen Davids Freunde, "Alien 1" zu sehen - das sei ja schliesslich "a Western in Space", und sich dabei zu betrinken. Also kein toller Abend.
Eine letzte Nachricht: Da BA Connect, die Fluggesellschaft bei der ich meinen Heimflug über Ostern gebucht habe, verkauft wurde, wurde meine Flugverbindung eingestellt und der Flug wurde gecancellt. Es tut mir Leid, aber ich werde wohl nicht nach Deutschland kommen, sonder in der Zeit weiterhin England erkunden.

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